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Blog
Hier schreibt Anne in loser Folge über den Alltag und verschiedene Projekte auf dem Wünschehof in all seinen Facetten und aus ihrer ganz persönlichen Sicht.
Projekt Naturhecke
Es ist geschafft! In einer großen Gemeinschaftsaktion konnte diese monumentale Hecke aus heimischen Feldgehölzen gepflanzt werden. Wir danken allen, die mitgeholfen haben, die Welt ein bisschen grüner und artenreicher zu machen! Unser besonderer Dank gilt Roland Kern für die sorgfältige Ausarbeitung des Pflanzplans. Wir danken euch, der Klasse 8b der Freien Waldorfschule Dresden, dass ihr in der Hitze des Septembers 2022 die 270 Pflanzlöcher in den knochenharten, trockenen und steinigen Boden gegraben habt. Danke auch, dass ihr am 11.11.22 wieder gekommen seid, um euer Werk zu vollenden und die Bäumchen in die Erde zu setzen. Danke an alle Lehrer, Eltern und Betreuer, die die Klasse betreut und tatkräftig mitgeholfen haben. Und nicht zuletzt danken wir dem Freistaat Sachsen, der die Pflanzen und den Zaun finanziert hat. Ohne Euch alle wäre das alles nicht möglich gewesen.
Projekt Kurswerkstatt/ Konzertraum
Der Ausbau des alten Gewölbes ist inzwischen ein gutes Stück vorangekommen. Viel Schweiß ist beim Ausschachten und beim Aufbau des Bodens geflossen. Einige Male wurden Ideen gefasst und wieder verworfen. Bei den Malerarbeiten haben wir viel Lehrgeld bezahlt. Keine Experimente mehr mit Farben! Glücklich und stolz über das Ergebnis der frisch geweißten Decke erlebten wir dann nach zwei Tagen die Ernüchterung. Die Farbe hatte nicht gehalten. Nun steht eine Frage offen-wie weiter? Jeder befragte Experte hat dazu eine andere Meinung. Trotzdem ist der Raum auch jetzt schon wunderschön und voller Flair. Halbwegs saniert und mit Blumen geschmückt haben wir ihn zum „Tag der offenen Tür“ mit einem Konzert eingeweiht.
Das erste Camp
Meine persönliche Krise kam am dritten Abend und mit ihr die Frage: Was machen wir hier eigentlich? Danach formte sich das, was ich den „Organismus“ nenne, ein Ganzes, bestehend aus neun Jungen und Mädchen unterschiedlicher Herkunft, zwischen neun und vierzehn Jahren und drei Erwachsenen. Erfahrene Pädagogen würden wahrscheinlich sagen, ist doch klar, dass sich so eine Gruppe erst finden muss. Ist doch klar, dass es sich nicht von Anfang an harmonisch und gut anfühlt. Mir war es eigentlich auch klar. Trotzdem war ich voller Staunen darüber, dass sich am Morgen des vierten Tages der „Organismus“ formte. Es passierte irgendwie beim Klettern. Wir waren mit den Kindern auf den Kälberstein gewandert, wo drei neue Kletterrouten eingerichtet worden waren. Es war irre heiß und es gab nur noch wenige Bäume, die kaum Schatten spendeten. Der Borkenkäfer hat hier so Vieles vernichtet. Die Kinder liefen so tapfer ohne jedes Gejammer und Rüdiger und ich liefen auch tapfer, mit unseren schweren Rucksäcken und den Gedanken an die Krise des Vorabends. Am Felsen gab es Schatten und die Kinder versuchten sich beim Klettern, manche geübt und mutig, andere zögerlich und vorsichtig. Manche versuchten es gar nicht. Wir waren glücklich. Glücklich, zusammen zu sein, das hier zusammen zu erleben, uns zu necken und zum Lachen zu bringen. Einfach vergessen, was sonst noch existiert auf der Welt, nur da sein und spielen. In diesem unserem ersten Feriencamp habe ich verstanden, warum man es auf sich nimmt, warum WIR es auf uns nehmen. Man gibt viel von sich, von seiner Kraft und Energie, von seiner ganzen Persönlichkeit. Und nur dann funktioniert es. Nur dann hat der „Organismus“ eine Chance. Und es kommt so viel zurück! Am letzten Abend haben wir die Kinder mit Augenzwinkern gefragt, wie sie selbst ihr Ankommen auf dem Hof empfunden haben, die ersten Stunden. Die Kinder fingen an zu lachen und sagten ganz ehrlich, dass sie eigentlich am liebsten wieder nach Hause gefahren wären, als sie die fremden Kinder sahen, auf die sie „gar keinen Bock“ hatten. Es ging uns also allen so. Dieses Fremdheitsgefühl am Anfang, das mühsame sich Einlassen auf die Anderen und dann, fast unmerklich wurden wir Eins. Der Organismus verträgt keine Eindringlinge. Besuche von Fremden oder Menschen, die „nur mal schnuppern“ wollen, werden als Störung empfunden. Das war IHR Hof in diesen Tagen, der Ort, den sie für sich eingenommen hatten und wo sie, wo wir eingetaucht sind in diesen herrlichen Sommer. Die Begeisterung der Kinder für die Werkstatt, wo gedrechselt, geschnitzt, Wikinger-Stühle und ein „Hau den Lukas“ gebaut wurden, war so ansteckend, dass Rüdiger oft selbst kein Ende fand und jeder flammenden Idee der Kinder nachkommen wollte. Es fiel unter diesen Umständen schwer, die Tischdienste zum Vorbereiten des Essens zu holen. Wir haben sie oft einfach gelassen. Wir wollten den Eifer nicht bremsen. Wir haben die Tage ausgekostet bis die Sonne am Abend hinter dem Berg unterging und die ganze Landschaft in rot-goldenes Licht tauchte. Dann saßen wir ums Feuer, machten Stockbrot und sangen. Fridolin, der Kleinste, ritt auf einem Schaf im Galopp über die Wiese. Wir sind gemeinsam auf unserem Pferd ausgeritten. Die Kinder haben sich abgewechselt, die anderen sind gewandert. Fast täglich haben wir uns im kühlen Nass abgekühlt, gleich hier im Steinbruch oder in den Freibädern. Die Nächte waren mild und sternenklar. Die Kinder haben eine Nacht unter freiem Himmel verbracht. Die Hoffnung auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr machte den Abschied leichter. Ein Junge fragte, ob wir nun froh sind, dass die Woche endlich zu Ende ist, damit wir ausruhen können und ob sie sehr anstrengend gewesen seien, sie, die Kinder. Er wollte wohl auch von mir nochmal hören, dass es auch für UNS schön war, mit ihnen zusammen zu sein. Ich sagte ihm, dass SIE, die Kinder dieser Gruppe dafür verantwortlich seien, dass es schön war und dass wir weitermachen und dass das nur der Anfang war.
Tiere schlachten
Jetzt steht es uns wieder bevor. Es sind zu viele Kaninchen, der Novemberfrost hat das letzte Grün auf den Wiesen erfrieren lassen und somit wird das Futter knapp. Und irgendwie möchte man auch einen gewissen „Lohn“ haben für das tägliche Füttern. Ja und dann ist da noch die Erinnerung an Schwiegermutters köstlichen Hasenbraten letztes Jahr zu Ostern. Und ist es nicht die vertretbarste Form des Fleischessens, wenn man die Tiere selbst hegt und pflegt, da, wo die Dinge in ihrem natürlichen Kreislauf sind und Küchenreste nicht einfach wegfliegen, sondern in den Tieren ihren dankbaren Abnehmer finden? So argumentiere ich vor mir selber. Und ehrlich, ich habe auch keine Lust tagein, tagaus früh und abends zu den Ställen zu laufen und die Tiere zu füttern, nur um sie zu haben. Also müssen sie geschlachtet werden. Schließlich vermehren sie sich auch. Nur, wer macht das? Rüdigers Vater, der alte Bauer, hat es in seinem Leben nicht übers Herz gebracht ein Tier mit Fell eigenhändig zu schlachten. Nur bei Federvieh konnte er es tun. Damit, einem Huhn den Garaus zu machen habe ich selbst tatsächlich auch weniger Probleme als bei einem Säugetier. Diejenigen, die es tun, die es auch für andere tun, sind gar nicht leicht zu finden. Kein beliebter Job. Jedes Mal, wenn wir unsere Schafe auf den Hänger laden und in die Bio-Schlachterei Mörl fahren, ist es wieder schwer. Dann denken wir Jahr für Jahr neu darüber nach, vielleicht doch Vegetarier zu werden. Denn- die eigenen Tiere verschonen, dafür dann aber das Fleisch im Supermarkt zu kaufen- das kommt auf gar keinen Fall infrage. Als Kind hatten wir zu Hause Hasen. Mein Vater schlachtete selbst. Ich habe das mit großem Interesse an der Anatomie eines Kaninchens verfolgt. Dabei hatte ich keinerlei Gefühlsregungen für das arme Tier. Einmal kamen Klassenkameraden unerwartet zu Besuch. Als sie das an den Läufen aufgehängte Kaninchen an der Teppichklopfstange sahen, machten sie schlagartig kehrt und verließen den Garten. Ich konnte nicht verstehen, was sie so schockiert hatte. Der Anblick war für mich das Normalste von der Welt. Jetzt, mit den Jahren bin ich da längst nicht mehr so abgebrüht. Vielleicht, so meine Theorie, werden wir Menschen mit den Jahren und mit wachsender Lebenserfahrung und vor allem der Erfahrung von Schmerz und Leid, mitfühlender und sensibler gegenüber anderen Lebewesen, als Kinder es sind. Wir wissen, wie weh es tut. Wir haben mehr Angst vor dem Tod. Es erschreckt uns, den Tod eines Tieres vor Augen zu sehen. Liegt es dann als Filet in der Pfanne, denken wir nicht weiter darüber nach. So geht es auch mir. Als unsere ersten Lämmer im Frühjahr hier geboren wurden, war das ein überwältigendes Ereignis. Wir Städterinnen, meine Töchter und ich, hatten so etwas noch nie erlebt. Ich erinnere mich, dass ich sofort im Zweifel darüber war, ob ich die Lämmer streicheln und ihnen Namen geben sollte, stand doch ihr Schicksal bereits festgeschrieben. Ich beschloss, es trotzdem zu tun und dann später einfach zu sehen, wie sich der Gang zu Mörl anfühlt. Es war schwierig. Vor Allem um das Lieblingslämmchen meiner Tochter Ada mit dem Namen „Aqua-Man“ tat es mir leid. Ada kämpfte um das Leben von Aqua (Mama, ich kenne ihn schon „von Lamm an!“), trug dann aber dessen Schicksal mit Fassung, beißt mit großem Appetit in die Knackwürste und schläft nachts auf seinem weichen Lammfell. Ich habe die Frage um Recht oder Unrecht des Schlachtens für mich noch nicht endgültig beantworten können. In einem Büchlein von Khalil Gibran fand ich Textzeilen, die eine Antwort ahnen lassen. Diese Dankbarkeit zu fühlen, wenn wir das Fleisch essen, was das Tier uns gibt, könnte vielleicht das Gefühl von Schuld ablösen. Wenn nicht, dann werden wir vielleicht doch eines Tages unter die Vegetarier gehen. „...Könntet ihr leben vom Duft der Erde und wie eine Luftpflanze vom Licht erhalten werden! Aber da ihr töten müsst, um zu essen und dem Neugeborenen die Muttermilch rauben müsst, um euren Durst zu stillen, lasst es eine andächtige Handlung sein. Und euren Tisch lasst einen Altar sein, auf dem das Reine und Unschuldige des Waldes und des Feldes geopfert wird für das, was im Menschen noch reiner und unschuldiger ist. Wenn ihr ein Tier tötet, sagt in eurem Herzen zu ihm: „Durch die gleiche Macht, die dich tötet, werde auch ich getötet, und auch ich werde verzehrt werden. Denn das Gesetz, das dich meiner Hand auslieferte, wird mich einer mächtigeren Hand ausliefern. Dein Blut und mein Blut ist nichts als der Saft, der den Baum des Himmels nährt.“ Zitate von Khalil Gibran aus „Der Prophet“